Dienstag, 9. August 2016

Tag der Buchliebhaber (09.08.2016)


Dieser Eintrag richtet sich an alle Buchliebhaber. Sie mögen Krimi- oder Fantasy Fans sein, gerne Liebesgeschichten mit einer Prise Humor lesen oder nur das, was mein Professor als "Highbrow Literature" bezeichnete (ich stelle mir dabei immer schnöselige und leicht arrogante Menschen vor, die alles, was nicht den Autorennamen Kafka, Shakespeare, Tolstoi, ... trägt, nur mit gespitzten Fingern anfassen und möglichst schnell aus ihrer Sichtweite bringen würden). Doch eines haben wir Buchliebhaber gemeinsam: Wir lieben es, in die fremden Welten zu tauchen, die sich beim Lesen autun.

Die Geschichte der Leser ist schwer zu finden. Die Geschichte der Literatur, die Geschichte der Autoren, ja, dazu finden sich massenweise Bücher. Aber die Leser, die Rezipienten, sind doch genauso wichtig für das Buch wie das Publikum fürs Theater. Kein Schauspieler würde gern für einen komplett leeren Saal spielen und kein Autor ein Buch schreiben, das niemand lesen soll (zumindest der Autor wird es lesen wollen).

Nun, wenn es da draußen keine Informationen zur Geschichte der Leser gibt, werde ich eben einen kurzen Beitrag dazu erstellen. Beginnen wir mit einem essentiellen Punkt: Der Alphabetisierung der Leute. Ohne Menschen, die lesen können, keine Leser.

Im Römischen Reich war die Alphabetisierung, wen wundert's, weit voran geschritten. Es gab bereits ein Bibliothekssystem sowie Verlage. Außerdem wurden Menschen, selbst Bauern und Sklaven von einem staatlichen System gebildet, das heißt, sie bekamen Lese- und Schreibunterricht.

Im Mittelalter, dem dunklen Zeitalter, in dem vieles von dem alten Wissen in Vergessenheit geriet, sanken auch die Zahlen der Lesekundigen. Der Klerus sowie einige Adlige konnten schreiben und lesen und auch manche wohlhabende Bürger in größeren Städten. Bauern dagegen hatten nicht wie wir die Chance, ihrem zähen Leben durch das Lesen für einige Stunden zu entkommen. Die Ungebildetheit der einfachen Bevölkerung kam der Kirche ganz recht. So konnten sie ihnen erklären, was in der Bibel steht, wie sie zu leben und was sie an die Kirche abzutreten hatten. Dabei wurde das Wort Gottes ganz schön für die eigenen Zwecke der Kirche missbraucht.

Mit der Reformation entstand zum ersten Mal der Schrei des kleinen Bürgers, die Bibel für alle Menschen zugänglich zu machen Dazu gehörte nicht nur das Lesen sondern auch das Übersetzen der Bibel von Latein auf Deutsch. Die Erfindung bzw. Verbreitung des Buchdrucks von Gutenberg brachte dann die entscheidene Wende. Das geschah um 1450 rum. Die einzelnen Lettern konnten in den unterschiedlichsten Zusammensetzungen in den Setzkasten gesetzt werden. Dann wurde die Seite, aus den Lettern bestehend, vielfach gedruckt und der Setzkasten wurde für die nächste Seite geordnet. So konnten Bücher schnell und verhältnismäßig günstig gedruckt werden. Das führte dazu, dass sie eine größere Masse an Menschen erreichten.

Die nächsten entscheidenen Punkte in der Geschichte waren die französische Revolution und die Industrialisierung. Die französische Revolition schaffte die Stände- und Adelsgesellschaft ab (zuerst in Frankreich, dem Vorreiter, dann verbreiteten sich die französischen Ideale Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit in ganz Europa und den USA). Das brachte mehr Rechte für den kleinen Bürger, also auch mehr Rechte in Bezug auf die Bildung. Die Industrialisierung vereinfachte den Buchdruck weiter und brachte durch Erfindungen wie die Eisenbahn ein Stück Globalisierung und Vernetzung. Das in Weimar geschriebene Buch konnte mit dem Güterzug bequem nach Hamburg gebracht und dort verkauft werden.

Die Entwicklung der Leser hängt auch eng mit den Büchern zusammen, die zu den jeweiligen Zeiten angeboten wurden. Im Mittelalter gab es nur wenige Bücher, da sie alle handschriftlich abgeschrieben werden mussten. Das übernahmen oft Mönche und Nonnen in Klostern. Dementsprechend war das populärste Buch die Bibel. Zur Zeit der Renaissance und des Buchdrucks kamen dann andere Bücher und Bücherarten auf. In England wurden um 1550-1600 Theaterstücke und Sonnetts als kleine Heftchen verkauft, es gab auch Ratgeber zum Haushalt und gutem Benehmen. In Deutschland wurden mit Goethe und Schiller zwei berühmte Autoren geboren, die ihr Geld damit verdienten, Bücher für die Bevölkerung zu schreiben. Das war ein neues Konzept. Das Konzept des autonomen Autors. Hier wurden die Leser erstmals berühmt. Nach Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" ging eine Suizidwelle durch Deutschland. Die jungen Leser fühlten sich so ergriffen und konnten sich so sehr mit Werther identifizieren, dass sie sein Schicksal teilten ...

Wir Buchliebhaber haben es vielen bedeutenden Persönlichkeiten zu verdanken, dass wir lesen können und genügend Stoff zum Lesen haben. Leuten wie Gutenberg mit seinem Buchdruck, Autoren wie Goethe und Schiller, die das Buch revolutionierten und schließlich den einfachen Lesern der Vergangenheit, die durch ihr Konsumverhalten und ihre Reaktionen auf die Bücher zeigten, in welche Richtung die Literatur gehen sollte. Wir sollten lesen also als nichts Selbstverständliches nehmen. Es ist ein Privileg. Und ein unglaubliches Vergnügen. Deswegen möchte ich an dieser Stelle 'Danke' sagen. Danke an all die großartigen Menschen in der Vergangenheit, die das Buch mit erfunden haben. Danke an die großartigen Autoren, die mich in immer wieder neue Welten entführen. Und Danke an alle anderen Buchliebhaber, die es Autoren ermöglichen, vom Schreiben zu leben. Die mit ihren Geschmäckern neue Trends setzen und bestimmen, welche Bücher morgen gelesen werden. Danke!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Blog-Archiv